To slide or not to slide
- Vergleiche hinken, aber...
TL;DR: Bildslider auf der Startseite einer Website werden von Besuchern selten angesehen. Sie verlangsamen jedoch die Seite und verschlechtern das Ranking bei Google. Deshalb sollte der Einsatz solcher Slider genau überlegt sein.
Während der 2010er-Jahre gab es kaum eine Website, die nicht mit einem großformatigen animierten Slider im Header eingeleitet wurde. Dieser Trend wurde durch zwei wesentliche Faktoren bestimmt: Während in den späten 1990er- und den 2000er-Jahren flashbasierte Animationen das Befürfnis nach bewegten Elementen im Internet stillten, wandten sich nicht zuletzt aufgrund der katastrophalen Sicherheits- und Updatepolitik immer mehr Webentwickler von Flash ab. Javascriptbasierte Slider boten in dieser Situation eine willkommene Möglichkeit, Bewegung auf Websites zu bringen und mit der steigenden verfügbaren Bandbreite war es auch kein grundsätzliches Problem mehr, vergleichsweise große Bilder im Internet bereit zu stellen. Die Begründung für den zunehmend exzessiven Einsatz von Slidern lautete dabei aber all zu oft "weil es alle anderen doch auch machen" oder schlicht "weil wir es einfach mal können".
Wie immer gibt es zu jedem Trend auch irgendwann einen Gegentrend und schon vor einigen Jahren erklärten die ersten Autoren den Slider für tot.
Betrachtet man den Einsatz von Slidern auf vielen Websites, ist diese Aussage auch nicht so ganz abwegig. Vergleiche hinken bekanntlich, tragen aber zur Klärung des Sachverhalts bei: Stellen Sie sich also vor, Sie kommen abends aus dem Büro (es sind mal wieder 2, 3 Überstunden mehr geworden). Auf dem Heimweg fällt Ihnen mit Schrecken ein, dass Sie ja noch etwas zum Abendessen besorgen wollten. Fluchend und schwitzend stürzen Sie den nächsten Supermarkt. Gleich am Eingang werden Sie vom Marktleiter in Empfang genommen, der Sie auf einen bereit gestellten Stuhl bittet, um Ihnen zunächst eine Präsentation zur Geschichte des Supermarktes, zur Entwicklung der Personalstruktur und schließlich auch zum letzten Betriebsausflug zu zeigen. Höchstwahrscheinlich werden Sie den Mann für komplett meschugge halten und den Markt schnellstens verlassen, um Ihre Einkäufe woanders zu erledigen.
Im Internet ist genau diese Situation aber immer noch alltäglich, denn viele Unternehmen halten es nach wie vor für eine gute Idee, die Besucher Ihrer Website gleich auf der Startseite mit einer umfangreichen Slideshow zu empfangen. Falls auch Sie gerade über den Einsatz eines Sliders auf Ihrer Website nachdenken, ist es Zeit für einige bittere Wahrheiten:
Niemand sieht sich Ihre Slides an ...
Die Grundidee der Startseite einer Website besteht darin, dem Besucher einen schnellen Überblick über die Inhalte der Website zu verschaffen und genau das ist, was die Besucher erwarten. Laut einer oft zitierten älteren Studien von Nielsen NetRatings nehmen sich Besucher im Durchschnitt gerade einmal ca. 40 Sekunden Zeit für das Betrachten einer Seite - danach sind sie (im Idealfall) zu einer Unterseite der Website gewechselt oder sie haben die Website verlassen. Nehmen wir nun an, eine Startseite wird mit einem Slider eingeleitet, der aus 5 einzelnen Slides besteht. Damit Besucher die Inhalte der Slides erfassen können, ist es sinnvoll, die Slides jeweils 5 Sekunden lang anzuzeigen. Zwischen den einzelnen Slides gibt es im Regelfall animierte Übergänge. Diese dauern z.B. 0,5 Sekunden. Es dauert in diesem Beispiel also 27 Sekunden, um den Slider von Anfang bis Ende anzusehen. Damit hätte der durchschnittliche Besucher gerade noch 13 Sekunden, um den "Rest" der Seite zu lesen. (Inzwischen dürfte - vor allem aufgrund des durch Mobilgeräte geänderten Nutzerverhaltens - der Wert von 40 Sekunden allerdings deutlich gesunken sein, ein Wert von 10-20 Sekunden erscheint eher realistisch.) Man kann also davon ausgehen, dass sich tatsächlich so gut wie niemand einen Slider von vorn bis hinten ansieht. (An dieser Stelle ein kleiner Test: Weiter oben auf der Seite ist ein Slider eingebaut. Haben Sie den Text des letzten Slides gelesen?)
... aber Slider verlangsamen Ihre Website ...
Ein großformatiges, vielleicht sogar bildschirmbreites Foto, dass auch auf einem 27"-Zoll-Monitor noch halbwegs gut aussieht, hat je nach Inhalt selbst nach einer Weboptimierung gerne noch eine Größe von 400, 500 Kilobyte. Bei 5 solcher Fotos in einem Slider sind das allein schon rund 2 - 2,5 Megabyte (dazu kommen dann natürlich noch die Daten der "restlichen" Seite, also weitere Bilder, Schriften, CSS, Skripe usw.). In Zeiten von 5G klingt das zunächst einmal wenig. Bedenken Sie jedoch, dass nicht jeder Ihrer Besucher in Berlin, Hamburg oder München wohnt. Es gibt immer noch weite Landstriche (sowohl in den neuen als auch in den alten Bundesländern), in denen sich die Menschen freuen, wenn sie überhaupt eine Internetverbindung mit ISDN-Geschwindigkeit zur Verfügung haben. Das Wort "Ladegeschwindigkeit" gewinnt hier eine ganz neue Bedeutung. Google hat in einer Studie untersucht, wie lange Nutzer auf das Laden einer Website warten, bevor sie diese verlassen und zur nächsten Website wechseln:
- 1-3 Sekunden Ladezeit erhöhen die Absprung-Wahrscheinlichkeit um 32%
- 1-5 Sekunden Ladezeit erhöhen die Absprung-Wahrscheinlichkeit um 90%
- 1-6 Sekunden Ladezeit erhöhen die Absprung-Wahrscheinlichkeit um 106%
- 1-10 Sekunden Ladezeit erhöhen die Absprung-Wahrscheinlichkeit um 123%
Grund genug also, Websites möglichst schlank zu halten. Und zu guter Letzt gibt es nicht wenige Nutzer, die über ein Mobilgerät mit einem volumenbasierten Tarif surfen. Für diese Nutzer bedeutet jedes Kilobyte bares Geld. Geld, dass sie sicher gern in das Betrachten Ihrer Slider-Fotos investieren...
... und verschlechtern Ihr Google Ranking
PageSpeed Insights (früher Google PageSpeed) ist ein Online-Dienst von Google, mit dem die Ladezeit einer Website untersucht werden kann. Schon im Jahr 2010 hat Google PageSpeed als zusätzlichen neuen Faktor für das Ranking von Websites etabliert und seit 2018 ist PageSpeed im Rahmen des Mobile First Index ein Rakingfaktor in der mobilen Suche. Obwohl klassische Faktoren wie der Seiteninhalt nach wie vor von großer Bedeutung für die Platzierung einer Website in den Suchergebnissen sind, gewinnt die Ladezeit zunehmend an Bedeutung. Google empfiehlt, dass der gesamte Inhalt einer Seite kleiner als 500 Kilobytes sein sollte - mit einem aufwändigen Slider auf der Seite ist das kaum zu realisieren. Der Wert von 500 KB ist zugegebenermaßen sehr niedrig angesetzt und eher als Ideal zu sehen - dennoch sollte Googles Richtlinie "faster is better and less is more" immer im Hinterkopf behalten werden.
Slider senden oft das falsche Signal
Slider scheinen oft so etwas wie die Sammelbox des Internet und zugleich die Garanten des Betriebsfriedens in vielen Unternehmen zu sein - einfach jeder darf sich dort austoben: Der Vertrieb möchte selbstverständlich das neue Produkt prominent platziert haben, die Marketingabteilung hat eine ganz tolle Infografik mit einem superfreshen Claim entwickelt, das Produktmanagement möchte darauf hinweisen, dass der vormals grüne Knopf jetzt türkis ist, der Support hat eine neue Telefonnummer und dann gibt es da auch noch dieses Charity-Dings... kein Problem, hängen wir einfach noch ein Slide hinten dran! Die eigentliche Botschaft dahinter lautet aber: Unternehmen, die so agieren, sind nicht in der Lage, eine klare Kernaussage zu formulieren.
Wie eben gezeigt, nehmen sich Ihre Besucher nur ein paar Sekunden für Ihre Website. In dieser Zeit müssen Sie dem Besucher klar gemacht haben, was Sie von ihm wollen oder der Besucher ist weg. Slider, die alles und nichts erzählen, sind dabei eher kontraproduktiv.
Slider kosten Geld und sind beliebig
So banal es auch klingt - zur Erstellung eines Bildsliders benötigt man zunächst einmal Bilder. Sofern Sie nicht auf selbst gemachte Fotos zurückgreifen möchten (nein, tun Sie das bitte nicht!), können Sie entweder einen professionellen Fotografen beauftragen oder Bilder bei einer Stockagentur wie Adobe Stock, Getty Images oder Shutterstock einkaufen. Da gute Fotografen gutes Geld kosten, entscheiden sich viele Unternehmen für die etwas preiswertere Stockagentur und dort wiederum mit geradezu schlafwandlerischer Sicherheit für die immer gleich aussehenden Fotos, die jedem Besucher sofort signalisieren, dass der Anbieter der Website nicht willens oder in der Lage war, etwas Geld in die Hand zu nehmen und schon gar keine Lust hatte, etwas Zeit in die Auswahl guter Fotos zu investieren. Wertschätzung sieht anders aus - und genau so verstehen das dann auch die Besucher der Website.
Und nun?
Großformatige Bilder im Kopfbereich der Startseite ("Heroes") haben zunächst durchaus einen Sinn. Abseits rein ästhetischer Aspekte können Sie
- schon einmal grob signalisieren, worum es auf der Website geht ("Ein Bild von einem Auto...hmm, es könnte um Autos gehen.")
- einen kulturellen Kontext transportieren, der auch eine emotionale Verbindung zum Nutzer aufbaut ("Wir sind wie Du / Wir verstehen Dich")
- einen Wiedererkennungswert schaffen ("Hey, auf der Seite war ich doch schon mal, da gab es dieses interessante Angebot...").
Wenn so ein Bild zudem mit einem Text kombiniert ist, der in wenigen (!) Worten klar macht, was den Nutzer auf der Website erwartet, ist die Mission eigentlich schon erfüllt. Fragen Sie sich also, ob Sie tatsächlich mehr als eines dieser Bilder in Form eines Sliders benötigen. Ein Slider um des reinen Effekts Willen ("Wow, da bewegt sich etwas") ist überflüssig, denn bewegte Slider gibt es gefühlt auf jeder zweiten Website und der "Wow-Effekt" ist deshalb längst keiner mehr. Slider können dann sinnvoll sein, wenn sie einen tatsächlichen Nutzen für Ihre Besucher haben. Das kann z.B. der Fall sein, wenn Sie ein konkretes Produkt aus unterschiedlichen Perspektiven vorstellen möchten. Prüfen Sie aber auch dann, ob ein solcher Slider unbedingt auf Ihrer Startseite platziert werden muss oder ob er nicht auf einer Produktseite besser und näher am Thema untergebracht ist. Überlegen Sie grundsätzlich immer zuerst, was Sie mit Ihrer Website erreichen wollen, welche Botschaft Sie transportieren möchten und ob ein Slider wirklich das geeignete Werkzeug ist, um diesen Zweck zu erfüllen.
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